Title: Mit allen Ehren (Teil 1)
Autor: fa sai, Elke
E-mail: wer uns erreichen will, weiß wo!
Feedback: immer erwünscht, aber bitte immer schön freundlich bleiben! ;-) Außerdem sind wir für jegliche Anregungen dankbar, wie die VS weitergehen soll!
Rating: PG
Category: JAG Story
Summary: Das ist unsere Vorstellung, wie es nach „H&F“ weitergehen sollte.
Spoiler: 3. Folge der Virtual Season 10.
Disclaimer: JAG und alle Charaktere gehören Donald P. Bellisario, Belisarius Productions, CBS und Paramount.
1530 ZULU (1030 EST)
JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
Harm saß in seinem Büro und brütete über dem Vernehmungsprotokoll eines Zeugen. Er blätterte in der Akte und machte sich gelegentlich Notizen.
„Hey Kumpel, wie läuft's denn so?“ tönte es in diesem Moment aus Richtung Tür.
„Sturgis, was kann ich für Dich tun?“ Harm schaffte es nicht, den leicht genervten Unterton aus seiner Stimme zu verbannen, aber er war müde und angespannt. Der Vormittag war ein einziges Desaster gewesen und der Rest des Tages versprach noch schlimmer zu werden.
Sturgis schloss die Tür hinter sich und setzte sich in den Besucherstuhl.
„Harm, was ist los?“ fragte er mit besorgter Miene.
„Nichts weiter. Dieser Fall geht mir gewaltig auf die Nerven, das ist alles.“ versuchte Harm seinen alten Freund von der Fährte abzubringen.
Doch der war äußerst hartnäckig. „So, so. Der Grimes-Fall ist also der Grund dafür, dass Mac sich heute frei genommen hat, dass Du Dich so benimmst, als würdest Du am liebsten jemandem den Schädel einschlagen und dass Du Dir heute Nachmittag auch frei genommen hast?“ Sturgis musterte Harm mit hochgezogener Augenbraue, doch er erhielt keine Antwort.
„Ich habe da eine Theorie, Harm. Möchtest Du sie hören?“ fuhr Sturgis schließlich fort.
„Habe ich denn eine Wahl?“ fragte Harm konsterniert.
Sturgis ignorierte Harm's Kommentar und begann: „Nun, mir ist neben dem eben aufgezählten bereits seit einiger Zeit aufgefallen, dass irgendetwas nicht stimmt. Da wäre die Tatsache, dass Mac permanent Rückenschmerzen zu haben scheint.“ Er machte eine kurze Pause, um Harm's Reaktion zu sehen, doch der hatte einen neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt und zeigte keinerlei Regung. Also fuhr er fort: „Des weiteren ist mir aufgefallen, dass Du und Mac einander seit der Abschiedsfeier für Chegwidden näher scheint. Nicht dass mich das stören würde, aber diese Änderung scheint mir sehr plötzlich, nachdem ihr Euch ein Jahr lang das tägliche Leben mit Hingabe schwer gemacht habt.“
Harm runzelte die Stirn und fragte voller Sarkasmus, „Ist das so?“
„Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass das alles irgendwie zusammenhängt. Ach ja, und dann wäre da noch die Tatsache, dass heute Nachmittag Webb's Trauerfeier stattfindet.“
Harm sah Sturgis überrascht an.
„Komm schon Harm, Du weißt wie schnell die stille Post in Washington und ganz besonders in diesem Gebäude hier arbeitet!“ sagte Sturgis. „Mal ganz abgesehen davon, dass Mrs. Webb halb Washington eingeladen hat....“
Harm musterte ihn und überlegte, was er dazu sagen konnte. Nach einer Weile des Schweigens räusperte er sich und richtete sich in seinem Stuhl auf. „Sturgis, ich kann nicht viel dazu sagen, außer dass Du eine gute Beobachtungsgabe besitzt.“ Er schlug die Akte, die vor ihm lag, zu und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Mac hat mich gefragt, ob ich sie zu Webb's Trauerfeier begleiten würde. Und ich habe zugesagt.“
Sturgis war sichtlich überrascht, sagte aber nichts, sondern wartete darauf, dass Harm fortfuhr.
Harm fuhr sich mit der Hand durch's Haar.
„Es kommt noch besser. Webb's Mutter hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass Webb für den Fall seines Todes verfügt hat, dass ich eine der Trauerreden halten soll.“
Sturgis konnte sich vorstellen, wie Harm sich fühlen musste. „Zu sagen, dass das eine bizarre Situation ist, wäre wohl leicht untertrieben, oder?“
„Du sagst es. Ich habe die ganze letzte Nacht damit verbracht, eine Rede zu konzipieren. Einerseits wollte ich nicht lügen und andererseits, kann ich mich schlecht hinstellen und meine ehrliche Meinung kundtun. Das wäre unangebracht und ich würde neben Webb's Mutter auch Mac damit verletzen.“ Harm war erleichtert, dass er endlich ausgesprochen hatte, was ihn seit Porter Webb’s Anruf im Kopf herum ging.
„Womit wir wieder bei Mac wären.“ sagte Sturgis mit einem leichten Lächeln.
„Sturgis, wenn Mac Euch etwas mitzuteilen hat, wird sie das tun. Ich kann und werde dazu nichts sagen.“ sagte Harm entschlossen.
„Ich verstehe das, Harm. Da ich heute in Eurer Abwesenheit hier das Kommando haben werde, weiß ich, dass Mac heute Vormittag beim Arzt war. Es ist doch nichts Ernstes, oder?“ Sturgis war wirklich hartnäckig.
„Das musst Du sie selbst fragen, außerdem sitze ich hier, wie Du siehst. Woher soll ich also wissen, was der Arzt ihr heute gesagt hat?“ erwiderte Harm mit dem ihm eigenen überheblichen Lächeln.
„O.k., o.k., ich verstehe schon.“ Sturgis stand auf und ging Richtung Tür. Er griff nach den Türknauf, bevor er sich nochmals zu Harm umdrehte und sagte: „Aber Harm, sag´ ihr, dass wir ihr bzw. euch nicht helfen können, wenn wir nicht wissen, was los ist. Wir machen uns alle Sorgen.“ Harm nickte nur. Sturgis öffnete schließlich die Tür und verschwand in der Geschäftigkeit des Bullpen.
Vorspann.........
1930 ZULU (1430 EST)
Apartment "The Washington 2812 "
Georgetown, Washington D.C.
Mac stand in ihrem Badezimmer. Sie hatte gerade geduscht und betrachtete nun die in einen Bademantel gekleidete Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenstarrte. Sie sah bleich und abgespannt aus. Krank. Sie stützte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken auf und sah weiterhin in das spiegelnde Glas. Sie erkannte die Frau nicht mehr, die sie dort sah. Das vergangene Jahr hatte sie zu stark verändert. Was war nur passiert? Sarah MacKenzie war irgendwie verloren gegangen und zurück blieb eine einsame, kranke Frau.
„Sie müssen sich entscheiden, Colonel.“ hallte die Stimme der Ärztin in ihr nach. Entscheidungen waren noch nie ihre große Stärke gewesen. Aber diese Entscheidung musste jetzt erst einmal warten. Sie holte tief Luft und konzentrierte sich wieder auf ihr Spiegelbild.
In zwei Stunden würde Webb's Trauerfeier beginnen. Webb. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte sie ihn Clay genannt. Doch diese Phase hatte nicht sehr lange angedauert. Harm hatte sie gefragt, ob sie ihn geliebt habe. Da war sie, die 1 Mio. Dollar-Frage! Sie hatte Webb gesagt, dass sie ihn liebe, bevor er zu dieser Mission aufbrach. Seiner letzten, wie sich herausstellen sollte. Es kam ihr vor, als könnte sie sich selbst überzeugen, wenn sie es ihm gegenüber aussprechen würde.
Eine Träne lief ihr über das Gesicht. Schließlich wischte sie sie fort, richtete sich auf und begann ihre Haare zu kämmen.
Gleiche Zeit
JAG Hauptquartier
Falls Church, Virginia
Ein junger Marine in der Uniform eines Gunnery Sgt. stieg aus dem Aufzug und ging zielstrebig Richtung Bullpen. Dort sah er sich suchend um.
„Kann ich Ihnen behilflich sein, Gunnery Sgt.?“ erklang die gut gelaunte Stimme von Harriet, als sie den großen und dunkelhaarigen Mann musterte. Er fuhr herum und salutierte. „Ma’am, mein Name ist Gunnery Sgt. Richard Quinn. Heute ist mein erster Diensttag hier bei JAG.“
„Willkommen, Gunny. Mein Name ist Lt. Harriet Sims.“ Harriet lächelte und schüttelte ihm die Hand.
„Sehr erfreut, Ma’am.“ erwiderte Quinn.
„So, so, also wieder ein Gunny...“ murmelte Harriet mit einem amüsierten Gesichtsausdruck.
„Entschuldigen Sie, Ma’am?“ Quinn war verunsichert.
„Nichts weiter, Gunny, aber bevor ich aus dem Mutterschutz zurück kam, hatten wir ebenfalls einen Gunnery Sgt. der Marines als Bürovorsteher. Vielleicht kennen Sie ihn. Sein Name ist Victor Galindez.“
„Nein, nie von ihm gehört, Ma’am.“
„Na ja, macht auch nichts. Im Moment ist keiner der ranghöheren Offiziere da, weshalb ich Ihnen jetzt die große Führung durch das JAG HQ gebe und Sie in die Geheimnisse der Büroorganisation einweihen werde. Legen Sie Ihre Tasche ab und folgen Sie mir.“
Quinn stellte seine Tasche in einer Ecke ab und folgte Harriet, die bereits auf dem Weg zu den Aufzügen war.
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Neu im Spielwarenhandel: Die Jag Aufziehpuppen! Zieh an der Schnur und sie werden mit Dir sprechen!
Die Harm Puppe gibt es in der Ausführung Dress Whites und Dress Blues. Sie spricht die Sätze: ‚Wo ist mein Auto?’ ,Ich geh fliegen!’ ,Ich liebe Mac!’
Die Mac Puppe gibt es in einem grünen Marines Outfit. Sie sagt:
‚Ich habe eine Vision!’ ‚Semper Fidelis!’ ,Ich liebe Harm!’
2000 ZULU (1500 EST)
Apartment "The Washington 2812 "
Georgetown, Washington D.C.
Harm stand vor Mac’s Wohnung und holte tief Luft. Das würde einer der schwierigsten Nachmittage seines Lebens werden. Er würde eine Rede auf der Trauerfeier des Mannes halten müssen, der ihm beinahe Mac für immer genommen hätte. Noch schlimmer war jedoch, dass er Mac dabei zusehen musste, wie sie um diesen Mann trauerte.
Er riss sich zusammen und klopfte.
„Einen Moment, Harm. Ich komme gleich.“ hörte er Mac auf der anderen Seite der Tür rufen.
Er hörte Schritte, die sich näherten und dann öffnete sich die Tür.
„Hi, Harm.“
„Hi, Mac.“
„Komm’ rein und setz Dich noch einen Moment. Ich bin gleich soweit.“ sagte Mac und trat zur Seite, um ihn in die Wohnung zu lassen.
Harm war sofort aufgefallen, dass Mac ihre blaue Uniform trug und war erleichtert. Die Uniform bedeutete, dass sie dort in erster Linie als Lt. Colonel der U.S.-Marines teilnehmen würde und nicht als Webb’s trauernde Freundin in Schwarz. Er kannte Mac jetzt schon so lange und er wusste, dass die Uniform für sie wie ein Schild war und dass sie ihr eine innere Kraft verlieh.
„Ich bin soweit, Harm.“ riss Mac ihn aus seinen Gedanken.
Sie hatte ihre Handtasche über die Schulter gehängt und hielt einen leichten Mantel über dem Arm.
Harm stand auf und sah sie durchdringend an. Sie war blass, wie so oft in letzter Zeit, aber sie wirkte gleichzeitig entschlossen.
Mac vermied es, Harm in die Augen zu schauen. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm und sagte: „Es geht mir gut, Harm. Naja, vielleicht ist gut nicht der richtige Ausdruck, aber es wird mir wieder gut gehen. Der heutige Nachmittag wird mir helfen, einen Schlussstrich zu ziehen.“
Harm sah sie an und nickte nur.
Er ging zur Tür und hielt sie für Mac auf. Sie traten beide hinaus auf den Flur und die Tür schloss sich hinter ihnen.
2100 ZULU (1600 EST)
JAG Hauptquartier,
Falls Church, Virginia
„Alles verstanden, Gunny? Ich kann ihnen gerne ein paar Aufzeichnungen zu unserem Archivierungssystem überlassen, wenn Sie möchten.“ fragte Harriet, als sie und Quinn an seinem zukünftigen Schreibtisch saßen und seine Aufgaben besprachen.
„Danke, Ma'am, aber es wird auch so gehen.“ erwiderte Quinn mit einem Lächeln, bevor er fortfuhr, „Mal sehen, ob ich mir alles behalten habe. Geordnet werden die strafrechtlichen Fälle nach dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens des Angeklagten. Innerhalb des gleichen Nachnamens wird nach dem Eingangsdatum sortiert. Rote Aktenaufkleber kennzeichnen Kapitalverbrechen, orange sonstige Verbrechen und blaue Vergehen. Die Akten werden bis zum Abschluss des Verfahrens in letzter Instanz hier oben im Büro aufbewahrt. Danach kommen sie runter in's Archiv. Habe ich etwas vergessen?“ Quinn sah Harriet erwartungsvoll an.
Die war etwas betreten. „Ich habe nicht unterstellen wollen, dass Sie das System nicht verstanden haben, Gunny.“
„Das habe ich auch nicht so verstanden, Ma'am.“ beruhigte Quinn sie mit einem jungenhaften Lächeln.
„Na, da bin ich beruhigt. Was halten Sie davon, wenn wir uns einen wohlverdienten Kaffee genehmigen?“ fragte Harriet im Aufstehen.
„Sehr gerne, Ma'am.“
„Na, dann begleiten Sie mich mal in die Kaffeeküche. Das ist ohnehin der letzte Raum in diesem Gebäude, den Sie noch nicht gesehen haben. Für mich wird es aber wohl mal wieder nur Pfefferminztee geben...“, sagte Harriet, während sie sich unbewusst mit einer Hand über den noch flachen Bauch strich.
Harriet und Quinn durchquerten das Bullpen und betraten die Kaffeeküche. Dort standen bereits McNeel und Bud, die sich über den geglückten Deal im Sheehan-Fall unterhielten und dabei an ihren Kaffeetassen nippten.
„Hallo, Bud. Lt. McNeel.“ begrüßte Harriet die beiden. „Darf ich unseren neuen Büroleiter vorstellen, Gunnery Sgt. Richard Quinn.“
„Gunny, das sind Lt. Cdr. Roberts, mein Mann und Lt. (j.g.) McNeel, die wie Sie neu im Team ist.“ stellte Harriet die beiden Offiziere vor.
Quinn salutierte. „Sir, Ma'am.“
„Stehen Sie bequem, Gunny. Wir sind hier schließlich in der Kaffeeküche.“ sagte Bud mit einem amüsierten Lächeln. „Herzlich willkommen bei JAG.“ Er schüttelte Quinn die Hand und McNeel tat es ihm gleich. „Leider werden Sie heute nicht alle Mitglieder des Anwaltsteams kennen lernen können. Cdr. Turner ist auswärts bei einer Vernehmung und ist wohl erst am Nachmittag wieder zurück, vielleicht begegnen Sie ihm noch, und Cdr. Rabb und Lt. Colonel McKenzie sind heute Nachmittag ebenfalls außer Haus. Aber wir freuen uns sehr, dass wir Sie in unserem Team begrüßen können.“
„Ich freue mich auch, hier zu sein, Sir.“ pflichtete Quinn bei.
Bud sah für den Bruchteil einer Sekunde fragend zu Harriet hinüber, die beinahe unmerklich mit dem Kopf nickte.
Daraufhin wandte Bud sich wieder an Quinn. „Gunny, wenn es Ihnen Recht ist, möchten meine Frau und ich Sie gerne zur Geburtsparty unseres Sohnes am Sonntag einladen. Es werden viele aus dem Büro kommen und eine solche Feier bietet eine gute Gelegenheit, sich ungezwungen kennen zu lernen. Der Arbeitsalltag wird Sie noch bald genug einholen. Was meinen Sie?“
„Vielen Dank für die Einladung, Sir. Ich komme gern.“ bedankte sich Quinn.
„Sie können natürlich gern Ihre Freundin mitbringen, wenn Sie möchten.“ ergänzte Harriet mit einem strahlenden Lächeln. Bud schoss ihr einen strengen Blick, den seine Frau aber geflissentlich ignorierte.
„Ähm, ich habe keine Freundin, Ma'am.“ sagte Quinn mit einem leicht betretenen Gesichtsausdruck.
„Ach, ist das so?“ Harriet lief zur Höchstform auf. Bud suchte nach einem Weg, um Quinn vor Harriet's Eheanbahnungs-Anfällen zu retten und McNeel musste hart kämpfen, um nicht in unkontrolliertes Gelächter auszubrechen.
Schließlich räusperte sich Bud und wandte sich an Quinn, der ein wenig verloren aussah. „Gunny, begleiten Sie doch den Lt. und mich in mein Büro. Dort können wir Ihnen etwas über unsere tägliche Arbeit berichten, damit Sie sich ein Bild machen können.“
„Sehr gerne, Sir.“ sagte Quinn schnell und an Harriet gewandt: „Vielen Dank für die Einführung, Ma'am.“
„Keine Ursache, Gunny. Bis Sonntag.“
„Ja, Ma'am.“ Damit folgte Quinn äußerst erleichtert McNeel und Bud auf den Weg in dessen Büro.
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Wie wir soeben erfahren haben, werden Cdr. Harmon Rabb jr und Lt. Col. Sarah MacKenzie in der amerikanischen Botschaft in Berlin morgen einen Vortrag über das amerikanische Militär-Rechtssystem halten. Nur noch wenige freie Karten sind vorhanden!!! Vorbestellungen bitte unter: 001 555 524 47 3282
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Zur gleichen Zeit
Anwesen der Familie Webb
Great Falls, VA
Harm und Mac fuhren mit Harms SUV den gewundenen Weg vom Tor zum Haus der Familie Webb empor. Es war ein wunderschöner Nachmittag und die nun bereits etwas tiefer stehende Sonne produzierte ein bewegtes Spiel von Licht und Schatten in dem üppigen Garten. Auf dem Weg nach Great Falls hatten beide kaum miteinander gesprochen. Mac's Gedanken kreisten jedoch darum, was Mrs. Webb wohl mit ihr besprechen wollte. Auch Harm machte sich darüber so seine Gedanken.
Sie stellten das Fahrzeug auf dem dafür vorgesehenen Platz an der Seite des Gebäudes ab. Trauergäste bewegten sich meist in kleineren Gruppen vom Parkplatz zum Haupteingang des Hauses. Harm sah zu Mac hinüber, die gerade ihren Gurt gelöst hatte. Den Gesichtsausdruck, den er sah, kannte er nur zu gut. Sie hatte die Fahrt genutzt, um sich mental vorzubereiten. Mac zeigte keine Gefühlsregung. Sie wirkte so konzentriert, als würde sie gleich einen Gerichtssaal betreten, um ein Schlussplädoyer zu halten. Harm legte ihr eine Hand auf den Arm. „Alles o.k.?“ Mac atmete tief ein und entlief die Luft langsam wieder. Dann schickte sie Harm ein schmales Lächeln. „Es geht schon, Harm. Lass' uns reingehen.“ Sie stiegen aus dem Wagen und reihten sich zwischen den Trauergäste ein, die sich auf den Haupteingang zu bewegten.
Mrs. Webb stand in der Eingangshalle und empfing die Trauergäste. Sie war gefasst und bewahrte Haltung.
Schließlich standen Harm und Mac vor ihr. Harm reichte ihr die Hand. „Mrs. Webb, mein herzliches Beileid zum Tod Ihres Sohnes.“
„Danke, Commander. Es bedeutet mir sehr viel, dass Sie sich bereit erklärt haben, die Trauerrede zu halten.“
Danach wandte sie sich an Mac. „Colonel MacKenzie.“
„Mrs. Webb, auch ich möchte mein tiefes Mitgefühl für Ihren Verlust zum Ausdruck bringen.“
„Danke Colonel. Sie haben Clayton viel bedeutet.“
Mac spürte, dass das Gespräch eine Richtung nahm, die sie Harm nicht zumuten wollte. Sie war sich darüber bewusst, dass es für ihn mindestens so schwer war wie für sie selbst, wenn auch aus etwas anderen Gründen.
„Ma'am, Sie wollten mit mir unter vier Augen sprechen?“
„Ja, Colonel, das möchte ich. Wäre es Ihnen später nach der eigentlichen Trauerfeier Recht?“
„Aber sicher, Mrs. Webb.“
Harm und Mac entschuldigten sich und folgten den anderen Trauergästen nach draußen. Sie gingen durch große gläserne Flügeltüren, die auf der Rückseite des Hauses von der Empfangshalle auf eine ausladende gemauerte Terrasse führten. Von dort führten ein paar breite steinerne Treppenstufen auf eine Rasenfläche. Dort waren Stuhlreihen aufgestellt, deren Mittelgang auf ein Rednerpult zuführten. Rechts von diesem Pult stand ein großes gerahmtes Portrait von Clayton Webb, welches mit Trauerflor versehen war. Die Rasenfläche war mit blühendem weißen Rhododendron und Azaleen umgeben und es führten schmale gepflasterte Wege in andere Teile des Gartens. Links von den Stuhlreihen für die Trauergäste saß ein Streichquartett und die Musiker stimmten leise ihre Instrumente.
Harm und Mac standen etwas abseits, nippten jeweils an einem Glas Wasser und beobachteten die anderen Trauergäste, die überall in kleineren oder größeren Gruppen zusammenstanden. Wenn es eines Beweises bedurfte, über welche Beziehungen Mrs. Webb in Washington verfügte, so war er hier zu besichtigen. Führende Mitarbeiter der CIA, einige hohe Diplomaten und andere Regierungsmitarbeiter.
Schließlich nahmen Harm und Mac ihre Plätze in der zweiten Reihe auf der linken Seite ein. Mac sah sich kurz um und ergriff Harm's Hand. „Harm. Danke, dass Du heute mit mir hier bist.“
Harm sandte ihr eine abgeschwächte Version seines berühmten Lächelns und drückte ihre Hand bevor sie beide los ließen.
Nach und nach nahmen die übrigen Trauergäste ihre Plätze ein. Als letztes schritt Mrs. Webb den Gang entlang und setzte sich auf ihren Platz in der ersten Reihe.
Die Musiker begannen zu spielen. Adagio für Streicher von Samuel Barber [DAS berühmte Streicherstück aus „Platoon“].
Harm ging im Kopf noch einmal die wesentlichen Punkte seiner Rede durch und blickte aus den Augenwinkeln zu Mac herüber. Sie wirkte wie versteinert und starrte geradeaus auf einen imaginären Punkt in weiter Entfernung. Harm kannte diesen modus operandi nur zu gut. Er selbst hatte sich schließlich in der Vergangenheit umso tiefer in sich selbst vergraben, je schlimmer die Situation war. Manchmal schien es der einzige Weg zu sein nicht den Verstand zu verlieren.
Die Musik verstummte und Mrs. Webb drehte sich kurz zu Harm um und nickte ihm leicht zu. Harm erhob sich daraufhin aus seinem Stuhl und ging gemessenen Schrittes nach vorn zum Rednerpult.
Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Mac fixierte einen Punkt, der sich irgendwo über seiner linken Schulter befand.
Harm sammelte sich für einen Moment und begann:
„Mrs. Webb, verehrte Trauergäste. Zu sagen, ich sei erstaunt gewesen, als mir mitgeteilt wurde, dass Clayton Webb mich als Trauerredner vorgesehen hatte, ist reichlich untertrieben. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht der Meinung, dass ich die richtige Person für die Aufgabe sei. Das hatte verschiedene Gründe. Doch während ich diese Rede vorbereitete, kam ich zu der Erkenntnis, dass das nicht stimmt.
Clayton Webb und ich waren auf den ersten Blick sehr verschieden, was schon allein an unseren unterschiedlichen Professionen lag. Unsere Arbeit führte uns immer wieder zusammen und wir waren regelmäßig anderer Ansicht, wie bestimmte Aufgaben zu erfüllen seien. Er hatte Fehler und Schwächen und brachte uns alle manchmal zur Weißglut. Doch trotz allem habe ich Clayton Webb immer als einen Mann geschätzt, der seinem Land bedingungslos diente und dazu bereit war, ein hohes persönliches Risiko zum Schutze von uns allen einzugehen.
Doch er war nicht nur bereit, Opfer für sein Land zu bringen. Er schützte auch bedingungslos diejenigen, die ihm persönlich nahe standen. Besonders ich habe ihm in dieser Hinsicht zu danken.“
Harm brauchte nicht in ihre Richtung zu sehen, um zu spüren, dass Mac ihn eindringlich ansah.
„Clayton Webb wird uns allen in Erinnerung bleiben als ein Mann, der Mut, Tatkraft und Opferbereitschaft in sich vereinte. Er starb in Erfüllung seiner Pflicht, dieses Land zu schützen und seinen Menschen die Freiheit zu bewahren. Er hätte nicht gewollt, dass wir über seine Fehler hinwegsehen, sondern dass wir ihn, so wie er war, respektieren und in Erinnerung behalten.
Clayton, Sie werden uns fehlen.“
Harm ging langsam zurück zu seinem Platz. Mac hatte die Gefühle, die ein paar Minuten zuvor für einen Augenblick an die Oberfläche zu kommen drohten, wieder tief in sich begraben. Sie sah Harm kurz an, bevor sie ihren Blick wieder nach vorn richtete.
Nachdem eine Frau aus Webb's Verwandtschaft und der Priester der Familie ebenfalls ein paar Worte des Gedenkens und des Segens gesprochen hatten, war der formale Teil der Trauerfeier beendet.
Die Trauergäste begaben sich auf die Terrasse und in die Empfangshalle, wo Speisen und Getränke gereicht wurden. Harm hatte sich eine Tasse Tee geben lassen, während Mac sich an einem Glas Wasser festhielt, ohne wirklich davon zu trinken. Sie sprachen kaum miteinander und wechselten nur sporadisch ein paar Worte mit anderen Gästen.
Harm hatte das Gefühl Mac's Anspannung mit Händen greifen zu können. Sie hatte seine Trauerrede bisher nicht kommentiert. Vielleicht würde sie gar nichts dazu sagen. Er hatte nur eine wage Vorstellung wie anstrengend, körperlich wie seelisch, das alles für sie war, nach allem was sie im vergangenen Jahr aushalten musste. Doch sie zeigte kein Anzeichen von Emotion. Gefasst und diszipliniert mit einem kleinen aber dennoch freundlichen Lächeln tauschte sie Small Talk mit einem Ltd. Cdr. aus, der sich ebenfalls unter den Gästen befand und den sie von einer früheren Ermittlung her kannte.
Mrs. Webb hatte von den zahllosen Trauergästen Beileidsbekundungen entgegen genommen und begab sich nun hinaus auf die Terrasse, wohin sich einige Trauergäste, darunter auch Harm und Mac mittlerweile begeben hatten. Als Harm bemerkte, dass Mrs. Webb auf sie zukam, dachte er sich nur, `Wenn das mal gut geht.` Mac rang sich ein Lächeln ab und Harm sandte ihr einen Blick, der ihr seine stille Unterstützung signalisieren sollte.
„Commander, das war eine außergewöhnliche Rede. Ich bin sicher, dass sie Clayton gefallen hätte.“
„Vielen Dank, Mrs. Webb.“
Porter Webb wandte sich daraufhin an Mac: „Colonel, gehen wir ein paar Schritte?“
„Sicher, Mrs. Webb.“
Harm nahm Mac ihr Wasserglas ab und nutzte die Gelegenheit ihr als Zeichen seiner Unterstützung kurz die Hand auf den Rücken zu legen, bevor er sich entschuldigte.
Mac folgte Mrs. Webb entlang der Rasenfläche, auf der zuvor die Trauerfeier stattgefunden hatte. Sie folgten einem schalen Weg der sich durch den Garten wandt. Die Sonne stand bereits tief und tauchte die Umgebung in ein leuchtendes goldenes Licht. Mac sah sich um. Der Garten war wunderschön. Es dominierten weiß blühende Pflanzen, die durch das besondere Licht förmlich zu strahlen schienen.
Mac und Mrs. Porter waren eine Weile schweigend gegangen. Schließlich weitete sich der Weg zu einem kleinen Rondell mit einem Teich, auf dem weiße Seerosen schwammen. Am Rand des Rondells stand eine schmiedeeiserne Bank unter einem Ahornbaum. Mrs. Webb setzte sich und Mac tat es ihr gleich.
Nach einem Moment sagte Mrs. Webb: „Dies hier ist der friedvollste Ort im Garten.“
Mac war sich nicht sicher, ob sie antworten sollte. „Es ist sehr schön hier.“
Porter Webb schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein und Mac begann sich umso unwohler zu fühlen je länger die Stille andauerte, aber äußerlich war ihr nichts von der inneren Anspannung anzumerken.
„Clayton hat mir einen Brief hinterlassen“, sagte Mrs. Webb schließlich.
Als Mrs. Webb nicht fortfuhr, begann Mac sich zu fragen, ob sie etwas sagen sollte, doch Mrs. Webb unterbrach ihre Gedanken. „Es war einer dieser Briefe, die auch Soldaten an ihre Angehörigen schreiben, bevor sie zu einem gefährlichen Einsatz aufbrechen. Sie haben bestimmt auch schon solche Briefe geschrieben, Colonel.“
„Ja, das habe ich, Ma'am.“ Mac hatte sogar eine ganze Menge solcher Briefe geschrieben, die sie in regelmäßigen Abständen aktualisierte. Sie waren jeweils an Bud und Harriet, Klein-AJ und Jimmy, Sturgis, Adm. Chegwidden und ihren Onkel Matt adressiert gewesen. Natürlich hatte sie auch einen Brief für Harm geschrieben. Sie konnte sich gut daran erinnern, als sie den letzten schrieb. Es war, bevor sie nach Paraguay aufbrach und bevor sie ihre Welt in Trümmer legte. Sie hatte fünf Anläufe gebraucht, um diesen Brief zu schreiben. Wäre sie in Paraguay gestorben, würde Harm jetzt wissen, was sie für ihn empfand. Doch es hatte anders kommen sollen...
„Colonel, geht es Ihnen nicht gut?“ Mrs. Webb sah Mac fragend an.
„Oh nein, mir geht es gut. Verzeihen Sie, ich war gerade in Gedanken.“ erwiderte Mac schnell.
Mrs. Webb sandte ihr einen wissenden Blick und fuhr fort: „Nach dem Tod meines Mannes hatte ich gehofft, nicht noch einmal einen solchen Brief lesen zu müssen, wissen Sie, aber der Drang zur CIA scheint in dieser Familie beinahe genetisch bedingt zu sein.“ Sie bewerkstelligte in kleines Lächeln, das Mac erwiderte.
„Clayton hat in seinem Brief einiges geschrieben, von dem ich denke, dass Sie es wissen sollten.“ Sie sah Mac eindringlich an.
„Er wusste um die erhöhten Risiken, bevor Sie beide nach Paraguay aufbrachen. Doch er war der Meinung, dass er vor Ort schon irgendwie improvisieren könnte. Als Commander Rabb sie beide rettete, war er zwar einerseits dankbar, dass dieser ihm das Leben gerettet hatte, aber er war andererseits auch ärgerlich darüber, dass er Sie nicht hatte retten können.“
Mrs. Webb redete, als hätte sie Angst, dass sie nicht würde fortfahren können, wenn sie auch nur einen Moment stoppen würde. „Clayton hatte bereits eine Weile etwas für Sie übrig, Colonel. Aus diesem Grund sah er den Commander als Konkurrenz. Die beiden haben eine Menge gemeinsam. Sie haben beide sehr jung ihre Väter verloren, was ihre Berufswahl beeinflusste. Beide dienten unserem Land. - Die größte Gemeinsamkeit waren letztlich jedoch Sie, Colonel.“
Mac war geschockt, doch sie hatte ihre Gefühle trotzdem fest im Griff. Ein Blatt des Ahornbaumes, unter dem saßen, segelte langsam durch die Luft und landete sanft im Teich.
„Verstehen Sie mich nicht falsch, Colonel. Ich liebe meinen Sohn, das wird sich nie ändern, aber ich kann nicht über seine Fehler hinwegsehen. Er war sich darüber bewusst, dass Sie ihm gegenüber Schuldgefühle hatten und dank seiner Ausbildung wusste er, wie er aus diesen seinen Vorteil ziehen konnte. Er hat schließlich gelernt, andere Menschen zu manipulieren.“ Sie holte tief Luft.
„Hinzu kommt, dass Clayton Paraguay nicht verarbeiten konnte. Wie Sie sicherlich bemerkt hatten, begann er zu trinken. Er weigerte sich, Hilfe anzunehmen. Seine Missionen wurden immer gefährlicher. - Und nun ist er tot.“ Mrs. Webb machte eine kleine Pause.
„Er hat Sie geliebt, Colonel.“ sagte sie sanft. „Und ich bezweifle nicht, dass Sie ihn auch geliebt haben. Aber wir wissen beide, dass das nicht die Art Liebe war, auf der sich eine Beziehung auf Lebenszeit aufbauen ließe. Zumal wir ebenfalls beide wissen, wo Ihr Herz tatsächlich liegt.“
Mac's erstaunten Gesichtsausdruck ignorierend fuhr sie fort: „Ich wusste bereits vor Clayton's Brief, was in Paraguay passiert war und ich wusste auch, was davor und danach passiert war. Es hat Vorzüge, wenn man selbst für Firma gearbeitet hat.“ Sie sandte Mac ein schmales Lächeln.
„Paraguay war für sie beide ein traumatisches Erlebnis und ich habe Gott täglich dafür gedankt, dass der Commander sie beide gerettet hat. Andererseits bitte ich ihn auch täglich dafür um Vergebung, dass ich Commander Rabb nicht geholfen habe, als er nach Informationen über ihren Aufenthaltsort suchte.“
Mrs. Webb sah Mac an. „Er hat es Ihnen nicht gesagt, dass ich mich weigerte, ihm zu helfen, nicht wahr?“ Mac schüttelte leicht den Kopf. „Das habe ich mir fast gedacht. Ich war damals der Meinung, sicherstellen zu müssen, dass der Commander meinem Sohn nicht dabei in die Quere kam, seine Frau für's Leben zu finden. Ich dachte, dass er hinsichtlich der Mission schon wissen würde, was er tat und war nur zu gerne bereit, die offensichtlichen Zeichen zu übersehen. Das war ein Fehler. So gesehen ist vieles von dem, was passiert ist, meine Schuld.“
Mac war innerlich völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Sie hatte zwar gehört, was Mrs. Webb ihr berichtet hatte, doch sie wusste weder, was sie darüber denken noch was sie fühlen sollte.
„Mrs. Webb, warum erzählen Sie mir das alles?“ fragte sie schließlich.
Porter Webb dachte einen kurzen Moment nach. Sie ergriff Mac's Hand und sagte: „Clayton ist tot und ich möchte nicht, dass Sie aus dem Gefühl heraus, es ihm schuldig zu sein, aufhören, Ihr Leben zu leben. Trauern Sie um ihn, doch leben Sie Ihr Leben weiter.“
„Ich werde es versuchen.“ sagte Mac leise. Mrs. Webb konnte nicht wissen, dass sie sich momentan nicht nur mit Clayton Webb's Tod auseinander setzen musste.
Mrs. Webb drückte Mac's Hand. „Das ist gut. Und jetzt lassen Sie uns zurückgehen. Commander Rabb macht sich wahrscheinlich schon Sorgen um Sie.“
Sie gingen schweigend zurück zum Haus und Mac nutzte die Zeit, um das Chaos, das in ihr tobte, in den Griff zu bekommen. Sie war jetzt einfach nicht Willens und schon gar nicht in der Lage, sich mit all dem zu befassen, also verdrängte sie es.
Kurz darauf erreichten sie die Terrasse, wo Harm die vergangenen 30 Minuten damit verbachte hatte, möglichst unauffällig nervös auf und ab zu gehen. Sobald er Mac erspähte, ging er auf sie zu. Mrs. Webb entschuldigte sich, um sich um die übrigen Gäste zu kümmern.
„Mac, ist alles o.k.?“, fragt er besorgt.
„Ja, mir geht es gut.“ antwortete sie ruhig.
Doch Harm sah, was passierte. Auf emotionalen Druck reagierte sie wie ein U-Boot. Je schlimmer der Sturm, desto tiefer tauchte sie. Und momentan tauchte sie so tief, wie er es noch nie gesehen hatte. Er machte sich Sorgen darüber, wie er so zu ihr durchdringen sollte, um ihr zu helfen. Also entschloss er sich nachzuhaken. „Mac,...“ Doch Mac unterbrach ihn. „Harm, bitte, jetzt nicht. Lass' uns gehen, o.k.?“
„Na gut, komm'.“ Harm realisierte, dass er Mac jetzt ihren Freiraum lassen musste, auch wenn es ihm schwer fiel.
Sie verabschiedeten sich bei Mrs. Webb, die Harm mit den Worten entließ, „Passen Sie gut auf sie auf, Commander.“ Harm nickte nur und wunderte sich, worüber Mac wohl mit ihr gesprochen hatte.
Schließlich saßen sie in Harm's SUV und er ließ den Motor an. Er lenkte den Wagen über den breiten Weg zum Eingangstor und sie machten sie auf den Weg zurück nach D.C.
Sie waren mittlerweile seit ca. 40 Minuten unterwegs. 'Mac würde auf die Sekunde genau wissen, wie lange.' dachte Harm. Er sah kurz zu ihr hinüber. Sie sah aus dem Fenster und schien meilenweit entfernt zu sein. Sie hatte kein Wort gesagt, seit sie das Anwesen der Familie Webb verlassen hatten.
„Harm, können wir irgendwo hinfahren. Ich möchte jetzt noch nicht nach Hause.“ sagte Mac plötzlich.
Harm überwandt seine Überraschung und sagte, „Klar, woran hast Du gedacht?“
Mac sah zu ihm herüber und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, irgendwo hin, wo wir vielleicht ein paar Schritte gehen können.“
„Gut, was hälst Du vom Reflecting Pool?“
„Ja, das ist ein gute Idee.“ Mac schenkte ihm ein kleines Lächeln, bevor sie wieder aus dem Fenster sah. Schweigend fuhren sie weiter Richtung Washington.
2300 ZULU (1800 EST)
JAG Hauptquartier
Falls Church, Virginia
Das Büro war schon leer. Die meisten Angestellten hatten pünktlich Feierabend gemacht. Nur Bud und der neue Gunny waren noch da. Harriet hatte sich bereits kurz nach der Einführungstour für den Gunny verabschiedet, da sie noch einige Vorbereitungen für die Geburtstagsfeier von A. J. zu treffen hatte. Da der neue Gunny die Sache gut im Griff zu haben schien, machte sie sich keine Sorgen, das Büro schon zu verlassen.
Der Gunny war gerade dabei sich intensiv mit dem Ablagesystem von Harriet vertraut zu machen, was einfacher aussah, als es tatsächlich war, obwohl er alles, was ihm Lt. Sims erzählt hatte, verstanden hatte, aber nun saß er an seinem neuen Schreibtisch, wo sich bereits das Chaos ausbreitete.
Als er von seinem Schreibtisch aufblickte, seufzte er und begann, das Chaos aufzuräumen. Er wollte nicht gleich am ersten Tag einen schlechten Eindruck hinterlassen. Erst recht nicht, da heute bereits Freitag war und am Montag der neue JAG anfangen sollte.
Bud kam gerade aus seinem Büro und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl, als er den Gunny sah.
„So spät noch hier, Gunny?“ fragte Bud und ging auf ihn zu.
„Ich wollte gerade gehen, Sir. Ich musste nur noch meinen Schreibtisch aufräumen, was länger gedauert hatte, als ich dachte,“ erwiderte der Gunny mit einem Lächeln und schloss bei diesen Worten die letzte Schublade an seinem Schreibtisch, der nun so aussah, als hätte das eben noch bestandene Chaos nicht existiert.
„Dann lassen Sie uns gehen, Gunny!“
„Hat Ihnen meine Frau noch mitgeteilt, wie Sie am Sonntag am besten zu uns kommen können?“ fragte Bud als die beiden gerade in den Fahrstuhl stiegen.
„Ja Sir. Ihre Frau hat mir eine ausführliche Wegbeschreibung gegeben.“
Bud lächelte wissend.
„Dann sehen wir uns am Sonntag. Da werden Sie dann auch Lt. Colonel MacKenzie, Cdr. Rabb und Cdr. Turner kennen lernen,“ verabschiedete er sich vom Gunny, als sie auf den Parkplatz traten. Beide gingen in unterschiedliche Richtungen, um zu ihren Fahrzeugen zu gelangen.
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Wer das Geheimnis um die oben genannte Telefonnummer entschlüsselt, erhält 2 exklusive Karten für den Vortrag in Berlin. Die Antworten bitte unter: FB zur 3. Folge der VS
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0015 ZULU (1915 EST)
In der Nähe des Reflecting Pool
Washington D. C.
Harm suchte in der Nähe des Reflecting Pools einen Parkplatz. Nach kurzer Suche wurde er in der 20th Street fündig und parkte seinen Wagen an der Straßenseite. Kurz darauf spazierten beide am Reflecting Pool in Richtung Lincoln Monument. Der Mond war bereits aufgegangen und spiegelte sich im Pool wider. Es waren noch einige Leute unterwegs: Jogger, Touristen und auch ein paar Pärchen, die es sich schon auf den Bänken rund um das Wasserbecken gemütlich gemacht hatten.
Schweigend gingen beide nebeneinander her. Durch die Stille, die zwischen den beiden herrschte, fühlte sich Harm sehr unwohl. Nervös nahm er seine Mütze ab und drehte sie zwischen seinen Fingern.
Sie kamen gerade an einer leeren Bank vorbei.
„Lass uns setzen, ja?“ fragte Mac.
„Ja,“ ganz Gentleman ließ er sie vorgehen und auf der Bank Platz nehmen, bevor er sich selbst neben sie setzte.
Es vergingen ein paar Augenblicke, in denen Harm und Mac auf spiegelnde Oberfläche des Wassers schauten, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.
Schließlich durch brach Mac die Stille. „Harm, danke, dass Du heute für mich da gewesen bist.“ Sie sah ihn kurz an, bevor ihr Blick zurück über die Wasserfläche vor ihnen glitt.
„Hey, ich habe Dir versprochen, dass ich immer für Dich da sein würde.“, sagte Harm sanft.
„Ja, das hast Du und Du hälst Deine Versprechen.“
Harm brannte darauf zu wissen, was Mac mit Mrs. Webb besprochen hatte, doch er hatte das Gefühl, dass Mac zunächst einmal selbst all das, was sich heute ereignet hatte, für sich einordnen musste. Außerdem wusste er aus langjähriger, teilweise schmerzhafter Erfahrung, dass es keine gute Idee war, Mac zu sehr zu bedrängen.
„Sie hat gesagt, dass ich mich entscheiden muss.“ sagte Mac, während sie immer noch auf das Wasser starrte.
Harm war etwas verwirrt. „Wer hat gesagt, dass Du Dich entscheiden musst. Und über was?“
0100 ZULU (2000 EST)
Haus der Roberts
Falls Church, Virginia
Die Roberts waren gerade fertig mit dem Abendessen und Bud half Harriet in der Küche beim Aufräumen, während A. J. ins Wohnzimmer ging, um noch etwas fern zu sehen. Jimmy war schon vor dem Abendessen total müde eingeschlafen.
„A. J.“ rief Bud seinen Ältesten von der Küche aus, „es wird Zeit fürs Bett.“
„Oh, noch nicht Daddy, bitte ... ich bin doch schon groß, ich brauch noch nicht ins Bett,“ erwiderte ein mauliger A. J.
Bud stand nun angelehnt in der Tür zwischen Küche und Wohnzimmer: „Wie kommst Du darauf, dass Du noch nicht ins Bett musst? Wir haben morgen noch jede Menge für Deinen Geburtstag vorzubereiten, da musst Du ausgeschlafen sein,“ versuchte Bud A. J. zu überzeugen.
„Muss ich wirklich? Ich bin doch noch gar nicht müde?“ maulte A. J. immer noch. Bud sah seinen streng an und zog eine Augenbraue hoch, „A.J.?“ A.J. gab sich geschlagen und machte sich schmollend auf den Weg ins Bad.
Zufrieden lächelnd sah Bud ihm nach.
0130 ZULU (2030 EST)
Reflecting Pool
Washington D. C.
Mac holte tief Luft und sah Harm schließlich in die Augen. Was sie dort sah, wärmte sie innerlich. Besorgnis, Mitgefühl und da war noch etwas...
“Ich hatte heute doch einen Termin zur weiteren Untersuchung im Krankenhaus.”
Harm sah sie an und nickte.
Mac schluckte, bevor sie fortfuhr, “Dr. Purcell hat mir erläutert, welche Behandlungsmethoden in Frage kommen und welche Aspekte bei der Wahl der Therapie zu berücksichtigen sind.”
Rückblende
1500 ZULU (1000 EST)
Bethesda Hospital
Mac saß mit einem unguten Gefühl in ihrem Stuhl während sie zusah, wie Dr. Purcell in ihrer Krankenakte blätterte.
“Und, wie lautet das endgültige Urteil.” fragte sie schließlich in einem betont lockeren Tonfall, hauptsächlich um sich selbst zu beruhigen.
Dr. Purcell sah von der Akte auf und musterte Mac kurz.
“Colonel, wie ich Ihnen bereit erläutert habe, haben wir bei der Laparoskopie zum einen eine Bestandsaufnahme davon gemacht, wie sehr sich das Gewebe außerhalb der Gebärmutter ausgebreitet hat. Es waren die Eileiter, Eierstöcke, Gebärmutter und das kleine Becken betroffen. Und zum anderen haben wir anschließend den größten Teil des Gewebes entfernt.”
“Ich höre ein “Aber” kommen, Dr.”
“Das Problem ist, dass die genaue Ursache der Erkrankung unbekannt ist. Wir wissen zwar, welche Faktoren allein oder in Kombination die Erkrankung fördern, aber es gibt keine Möglichkeit, Endometriose mit der Wurzel auszurotten. Der Verlauf ist chronisch. Das Gewebe kann sich wieder ausbreiten und wie Sie bemerkt haben schwankt die Stärke der Beschwerden mit dem Monatszyklus. Wir können nur hoffen, dass sich das Gewebe nicht wieder ausbreitet und im übrigen die Symptome behandeln.”
Mac hatte sich eingehend über ihre Krankheit informiert und Dr. Purcell hatte ihr bereits vor dem Eingriff viele Informationen gegeben, aber die Erkenntnis, welches Ausmaß diese Krankheit annehmen konnte und wie sie ihr gesamtes Leben beeinflussen würde, hatte sie zu verdrängen versucht. Sie saß wie vom Donner gerührt und wartete darauf, dass die Ärztin fortfuhr.
“Es gibt verschiedene Therapieansätze im Anschluss an eine Bauchspiegelung. Zum einen gibt es Medikamente, die die Hormonproduktion der Eierstöcke versiegen lassen und dadurch das Wachstum der Endometrioseherde hemmen. Die Konsequenz ist in diesem Fall aber eine deutlich herabgesetzte Fruchtbarkeit.“
Mac's Blick sank auf den Boden.
„Einige alternative Heilverfahren beeinflussen den Krankheitsverlauf vermutlich günstig. Ich werde ihnen ausführliches Informationsmaterial mitgeben, Colonel.“
Mac nickte nur stumm.
„Colonel, da wäre noch etwas. Sie erinnern sich vielleicht, wir haben bereits darüber gesprochen. Endometrioseherde bilden sich während einer Schwangerschaft zurück. Dabei wird zum Beginn der Schwangerschaft das Gewebe dicker und besser durchblutet, wie die Gebärmutterschleimhaut auch. In den späteren Stadien der Schwangerschaft werden die Gewebsinseln außerhalb der Gebärmutter atroph, sie werden quasi ausgetrocknet und können sich vollständig zurückbilden.“ Dr. Purcell machte eine kurze Pause. „Allerdings können die Beschwerden nach der Schwangerschaft wieder auftreten, dann können wir medikamentös behandeln. Denken Sie in Ruhe darüber nach, aber Sie müssen sich entscheiden...“
0200 ZULU (2100 EST)
Haus der McNeels
Liz und ihr Mann saßen völlig erschöpft in ihrem Wohnzimmer auf der Couch. Das Zimmer sah aus, als wäre ein Wirbelsturm darüber hinweg gefegt. Überall standen noch Umzugskisten herum, die nur teilweise oder noch gar nicht ausgepackt waren. Tara schlief schon seit einiger Zeit, obwohl Liz es sehr schwer hatte, ihre Tochter ins Bett zu bekommen. Sie war zu aufgeregt über die Einladung der Roberts.
Thomas hatte einen Arm um die Schultern seiner Frau gelegt und genoß den Augenblick der Ruhe.
„Tara war ja ganz aufgeregt, dass Ihr am Sonntag zu der Geburtstagsfeier geht. Sie kennt ihn noch nicht mal, ist aber total begeistert.“
„Ja, A. J. ging es genauso. Er ist die ganze Zeit mit dem Foto von Tara durchs Büro gelaufen,“ bei der Erinnerung an die Szene musste Liz lächeln.
„Ja, ja, so fängt es immer an.“ grinste Thomas. „Hey!“
Liz hatte ihm mit dem Ellenbogen einen leichten Stoß in die Rippen verpasst. „Thomas, A.J. wird FÜNF Jahre alt.“
„Na und?“ Es war einfach zu schön, Liz zu ärgern.
„Nicht jeder ist ein solcher Frühentwickler wie Du, Thomas McNeel.“ lachte Liz.
Mit einem Schulterzucken fragte er schließlich, „Wie sind denn Deine Kollegen so?“
„Die sind alle total nett. Es ist, als ob ich jetzt zu einer großen Familie gehöre.“
„Ich hab mich schon gefragt, wie es dazu kam, dass Du und Tara zu der Party eingeladen wurdet...“
„Na ja, Du kennst mich ja ... Ich hab die beiden Jungs vom Lt. Cdr. gesehen ... die sind total süß und A. J. ... das ist ein richtig aufgeweckter kleiner Kerl. Wir haben uns beide toll unterhalten. Das hat seine Mutter mitbekommen und hat uns zum Geburtstag eingeladen. ... Schade, dass Du Dienst hast. Dir würden meine Kollegen auch gefallen. Aber vielleicht können wir, wenn wir uns hier fertig eingerichtet haben, eine Einweihungsfeier geben und alle von JAG dazu einladen, so als Dankeschön für den herzlichen Empfang und dann kannst Du sie kennen lernen. Was hälst Du davon?“
„Das ist eine gute Idee, Liebling.“
TBC ....
Liebe Grüsse Petra
Kalorien sind kleine Tierchen, die nachts die Kleidung enger nähen.
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